Hallo,
deine Frage ist völlig legitim und auch wichtig, denn das IPA-System suggeriert oft, dass Laute eine bestimmte Standardisierung hätten. Aber das System ist ein Hilfsmittel und ist weit entfernt von absoluter Objektivität oder absoluter "Reinheit" in der Beschreibung. In der Phonologie, wo man sich die Funktion von Lauten anschaut (welche Laute unterscheiden Bedeutung in welcher Sprache, welche Merkmale eines Lautes (vorne oder hinten) unterscheiden Bedeutung oder bilden Merkmalsketten in Sprache X), ist IPA ganz praktisch, weil es relativ nachvollziehbare Beschreibungen sind, die für die Arbeit ausreichen. Für die Arbeit in der Phonetik stößt IPA aber an seine Grenzen, wo man die wirklich physiologische und physikalische Produktion von Lauten betrachtet.
Und hier kommt deine Frage ins Spiel. Denn zwischen den Punkten für ein alveolares [t] und ein velares [k] herrscht ein Spektrum an unzählbar vielen möglichen Punkten. Auf dem Bild siehst du häufige Artikulationsorte, aber z. B. zwischen den Punkten 6 und 7 hast du eben noch viele weitere mögliche Punkte.
Sprachen unterscheiden sich auch darin, wo exakt sie zum Beispiel ein [k] äußern, die einen haben es typischerweise ein paar Millimeter weiter vorne, die anderen weiter hinten. Diese Punkte sind nicht absolut; die benutzen Symbole im IPA dienen nur dazu, mögliche Punkte in diesem Spektrum, die besonders häufig vorkommen, durch ein Zeichen näher zu bezeichnen. Diese prototypischen Punkte eines Lautes wie [k] nennt man auch Kardinalpunkte (vor allem im Vokalsystem). Abweichungen von diesen Kardinalpunkten kann man auch (sehr begrenzt) durch Zusatzzeichen am Symbol kennzeichnen, wie [
t̪], das statt an den Alveolen etwas weiter vorne an den Zähnen produziert wird, oder [k̟], das etwas weiter vorne artikuliert wird.
Größer ist das Formenspektrum aber bei den Vokalen. Die Vokale, also die prototypischen Kardinalvokale, die hier im Vokaltrapez eingezeichnet sind, werden in keiner Sprache wirklich exakt an diesen Artikulationsstellen oder in diesem Öffnungsgrad so artikuliert.
Aber da es nicht genügend Symbole gäbe, ein Spektrum aus tausenden möglichen Punkten darzustellen, werden diese Symbole eben als Annäherungen genommen, auch um Sprachen miteinander vergleichbar zu machen, deren Laute vielleicht ähnlich aber eben nicht gleich sind. Anschaulich wird das, wenn man sich die exaktive phonetische Realisierung dieser Vokale im Deutschen anschaut. Auf dem Bild siehst du, wo diese Vokale eigentlich wirklich ausgesprochen werden und du siehst, wie entfernt sie teils von den eigentlichen Kardinalvokalen sind, sogar in die Stellen rutschen, wo andere Vokalsymbole genutzt werden:
Aber einige Vokale sind oft in ihrer Funktion und in ihrem Verhalten analog zu denen in anderen Sprachen, weshalb es sich trotzdem anbietet, diese Symbole zu benutzen.
Zu deiner letzten Frage: Sprachen neigen dazu, zwischen ihren Lauten einen möglichst hörbaren Unterschied zu haben, da ansonsten deren phonologische Unterscheidbarkeit unwirksam wird und sie nicht mehr dazu dienen, Wörter unterscheidbar zu machen. Das heißt nicht, dass es Sprachen gibt, die unterschiedliche Merkmale haben, für die wir Deutschen zum Beispiel überhaupt nicht trainiert sind zu hören. Australische Sprachen haben oft Unterschiede zwischen dentalen /t/s und nicht-dentalen, was für uns kaum wahrnehmbar, aber für die eben bedeutungsunterscheidend und hörbar ist. Liegen allerdings zwei Laute, die zum [k] tendieren nur einen Millimeter auseinander, ist deren Unterscheidbarkeit zu gering, um Wörter zu konstitutieren. Sie wären dann eher Allophone, also Varianten eines Phonems, die zwar unterschiedlich klingen, aber keine Bedeutung unterscheiden. Beispiel Deutsch: [
r~ʁ~ʀaɪ̯ç~x~χ] für "reich", wo weder die unterschiedliche Aussprache des /r/s noch des /ch/s einen Einfluss darauf haben, dass die Bedeutung eine andere wäre.
Aber es gibt auch Konstellationen, wo in deiner Frage ein Laut B sowohl das Allophon eines As oder das Allophon eines Lauts C sein kann. Das ist dann abhängig vom Umfeld im Wort. Zum Beispiel ist das Wortende im Deutschen ein bestimmtes Umfeld, wo Reibe- oder Plosivlaute stimmlos werden. In Norddeutschland wird zudem aus einem [g] ein [
ç~χ] am Ende des Wortes (oder auch der Silbe) und ist somit nicht von einem <ch> zu unterscheiden, zum Beispiel klingen "Teich" und "Teig" gleich, während sie im Anlaut aber unterschiedlich sind, die Plurale sind lautlich unterscheidbar "Teiche" und "Teige".
Ich hoffe, das hat etwas geholfen. Wenn du mehr Fragen hast, frag ruhig.
VG, Kevin